Bürgermeister Doetkotte: "In Friedenszeiten viel erreicht."


Seit vielen Jahren findet der Gedenktag zum Ende der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg in den Niederlanden  als nationaler Gedenktag statt. Die Stadt Gronau nimmt seit 25 Jahren auf Einladung der niederländischen Nachbarn an diesem Gedenktag teil. Aufgrund der Corona-Krise sind die Feierlichkeiten in diesem Jahr abgesagt worden. Die Verbundenheit mit den niederländischen Nachbarn und dem Gedenktag sind aber gegenwärtig. Das Beflaggen auf deutscher Seite ist ein Zeichen der Solidarität und der Völkerverständigung.

Dazu der Beitrag von Bürgermeister Rainer Doetkotte im Wortlaut:

„Von meinem Schreibtisch aus schaue ich auf drei Flaggen, die wir als Stadt Gronau heute, am 5. Mai 2020, vor unserem Rathaus an der Konrad-Adenauer-Str. 1 gehisst haben. Es sind dies die niederländische Flagge, die Europa-Flagge und unsere Stadtfahne. Auch vor dem Amtshaus in Epe haben wir diese Fahnen gehisst. Für uns sind sie Zeichen guter, nachbarschaftlicher Beziehungen. An diesem Tag wehen sie als Symbole der Verbundenheit, als Zeitzeichen der Erinnerung, die wir besonders zu unseren nachbarschaftlichen Gemeinden, nach Losser, Oldenzaal und Enschede und in viele andere Orte im niederländischen Twente senden.

Für unsere niederländischen Nachbarn ist dieser Tag, 75 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges und dem Ende der deutschen Besatzung, ein gefeierter Tag der Befreiung. In den Medien diesseits und jenseits der deutsch-niederländischen Grenze kommen hochbetagte Zeitzeugen zu Wort. Sie erzählen, wie es war - damals. Von der Zeit, die angefüllt war mit Schrecken und Gewalt, mit Angst und mit Leid und der bangen Hoffnung auf Freiheit und Frieden.

„Danke“ sage ich im Namen von Rat und Verwaltung dem „Förderkreis Alte Synagoge Epe e.V.“, deren Anliegen, mit der Fahnen-Aktion solidarische Zeitzeichen zu setzen, wir aufgegriffen haben. Wir meinen, dass unser Gronauer Engagement zum niederländischen Befreiungstag - als Zeichen aufrichtiger Erinnerung – verstanden wird. Diese Botschaft ist angekommen, versicherten uns nach ersten Gesprächen dazu die Bürgermeister von Enschede, Losser und Oldenzaal. In den vergangenen 25 Jahren hatten wir als Stadt Gronau auf Einladung unserer niederländischen Nachbarn an Feierlichkeiten zum Befreiungstag teilgenommen. Aufgrund der Corona Krise sind die Feierstunden in diesem Jahr abgesagt worden.

Die Tage des Kriegsendes vor 75 Jahren sind Tage der Erinnerung an das, was Menschen erleiden mussten. Es sind Stunden und Tage des Nachdenkens über den Gang der Geschichte in der zwei Weltkriege von deutschem Boden ausgingen. Der Tag der Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 markiert das Ende eines Irrweges deutscher Geschichte, die  - nicht erst zuletzt - mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft erfüllt war.

Die meisten Deutschen hatten geglaubt, für eine gute Sache zu kämpfen und zu leiden. Nun stellte sich heraus, wie sinnlos und vergeblich alles gewesen war. Es hatte den unmenschlichen Zielen einer verbrecherischen Führung gedient. Mit Blick in die Geschichte wurde klarer: Die Kapitulation Deutschlands am 8. Mai war auch für die Generation unserer Großeltern und Eltern ein Tag der Befreiung – wenn auch ohne Siegesfeiern. Das Ende des Zweiten Weltkrieges hat Deutschland vom menschenverachtenden System nationalsozialistischer Gewaltherrschaft befreit.

In diesen Tagen gedenken wir in Trauer aller Toten des Krieges und der Gewaltherrschaft. Wir gedenken insbesondere der sechs Millionen ermordeter Juden. Auch im Gronau vor 1945 wurden jüdische Mitbürger gehasst, verfolgt, gedemütigt, geschlagen und später umgebracht. Wenn wir uns mit diesen Erfahrungen versöhnen wollen, müssen wir verstehen, dass es Versöhnung ohne Erinnerung nicht geben kann.

Das muss hier bei uns in Deutschland gesagt werden und überall dort, wo in Europa rechtsextremes Gedankengut aufkeimt und sich antidemokratische Entwicklungen entwickeln wollen. Die Aufgabe für uns, die Nachgeborenen lautet: Die Augen vor der Vergangenheit nicht zu verschließen. Hinzuschauen, gerade in der Gegenwart. Sich der Unmenschlichkeit zu erinnern, um für neue Ansteckungsgefahren nicht anfällig zu werden.

Als Kind der nächsten Generation haben mir unsere niederländischen Nachbarn die Hand gereicht, um mit den Gedanken einer versöhnenden Erinnerung eine friedliche Zukunft hier in unserer Region, der Euregio, mitzugestalten. Heute reichen wir uns weiterhin die Hände für ein freies, friedliches und gemeinsames Europa.

Mit den Gemeinden der Euregio, diesseits und jenseits der deutsch-niederländischen Grenze haben wir in Friedenszeiten vieles erreicht. Darum geht es jetzt und immer wieder aufs Neue: An die gemeinsamen Erfolge anzuknüpfen. Dazu wird die Stadt Gronau auch in Zukunft ihren unübersehbaren Beitrag leisten.“